Das fasziale Gewebe richtig trainieren
In den letzten 10 Jahren hat sich viel in der (deutschen) Fitnessbewegung getan. Fitnesstrainer/innen machten dank Michael Boyle und Co. das Functional Training in den Fitnessclubs populär. In diesem Zusammenhang tauchte auch der Begriff Faszien immer öfter auf. Mittlerweile ist das Training mit Hartschaumstoffrollen und kleinen Bällen sowie speziellen Kursen nicht mehr aus den Fitnessclubs wegzudenken. Diese Treatments sind, trotz schmerzverzogener Gesichter, für die meisten von uns äußerst effektiv, da sie die verklebten Strukturen unter der Haut lösen. Triggerpunkte und fasziale Leitbahnen werden dabei bearbeitet und wieder in ihre ursprüngliche Struktur gebracht. Das wissen Mediziner und Physiotherapeuten schon seit Jahrzenten und glücklicherweise ist der heilende Trend im Gym angekommen.
Aber was sind eigentlich Faszien? Und ist es notwendig entsprechende Übungen ins Training einzubauen?
Das fasziale Gewebe…
- ist ein sehr starkes, reißfestes und dennoch flexibles Bindegewebe
- besteht im Einzelnen aus Wasser, kollagenem Eiweiß, Zucker-Eiweißverbindungen und Klebstoffen
- ähnelt unter dem Mikroskop einer Art Zuckerwatte
- ist mit dem bloßen Auge als hauchdünne milchige Faser (auf einem Stück Fleisch) sichtbar
- ist das größte Sinnesorgan
…und erfüllt neben dem Zusammenhalt unserer Körperstrukturen weitere wichtige Aufgaben. Faszien…
- übertragen Kräfte. Muskeln, Sehen und Knochen sind mit Faszien umgeben und ermöglichen somit Kraftleistungen und letztendlich Bewegung.
- speichern Kräfte. Neben der Kraftentwicklung in den Muskeln, speichert das fasziale Netzwerk ebenfalls Kraft bzw. Energie und arbeitet dabei wie eine Art Sprungfeder, die sich katapultartig löst.
- vermitteln Schmerzen. Verletzungen oder Beschwerden beim Sport hängen meistens mit dem faszialen Gewebe zusammen. Wer ein guttrainiertes, elastisches, widerstandsfähiges Gewebe besitzt, hat weniger Einschränkung und mehr an Leistung.
- fixieren Organe. Damit alles an seiner Stelle bleibt, umspannt dieses extrem stabile und dennoch flexible Gewebe unsere Organe, Muskeln, Knochen, Sehnen, Bänder und sogar Nerven.
- leiten Impulse. Die faszialen Leitbahnen in unserem Körper erstrecken sich von Kopf bis Fuß, von unten bis oben, von links nach rechts, von hinten nach vorne, von außen nach innen, kreuz und quer.
Dabei ist die Qualität dieses Bindegewebes insbesondere abhängig von…
- der Versorgung mit Wasser (Hydration)
- der Anordnung der (optimalen) Gitternetzstruktur
…und wird durch ausreichend Bewegung, abgestimmtes Training, gesunder Ernährung und gegebenenfalls durch manuelle Therapie positiv beeinflusst.
Ein schlecht trainiertes Fasziensystem ist oft an folgenden Parametern erkennbar…
- Beweglichkeit: du erreichst beispielsweise beim Nachvornebeugen mit gestreckten Beinen den Boden nicht. Fehlen dir noch mehrere Zentimeter bis du mit deinen Fingerspitzen nach unten kommst, solltest du deine Plantarfaszie bearbeiten.
- Gesundheit: du verletzt dich oft im Sport (Zerrungen, Nervenreizungen, Blockaden).
- Erkrankung: du hast Fehlhaltungen in deinem Bewegungsapparat, die nicht angeboren sind. Auch die typischen Schmerzen im unteren Rücken sind meist ein Anhaltspunkt für eine verhärtete Faszie (Fascia Thoracolumbalis).
- Fortschritt: du erzielst in deinem Training keinen Fortschritt mehr, da dein verklebtes fasziales Gewebe deine Muskeln beim Arbeiten, Regenerieren und Wachsen hindern.
- Steifheit: du fühlst sich starr, verkrampft, fest, einfach nicht geschmeidig.
- Wahrnehmung: du besitzt eine schlechte Propriozeption oder dir fällt es schwer mit Power zu springen und sicher zu laden.
- Bewegung: du bist nicht in der Lage komplexe Übungen auszuführen, auf Grund des Bewegungsradius.
Weiterhin beeinflussen dauerhafte Stresssituationen unser fasziales System negativ und nehmen somit wiederum Einfluss auf die oben genannten Punkte. Es entsteht ein faszialer Teufelskreis. Wenn du deine faszialen Strukturen regelmäßig, also mindestens 2x pro Woche für 15-30 Minuten trainierst, stellen sich schon bald positive Effekt ein.
Das Training dient…
- der Verletzungsprophylaxe
- der Schmerzreduktion
- der Optimierung der Muskeldynamik, Gewebegleitfähigkeit und Gelenkmechanik
- der Verbesserung der motorischen Kontrolle
- einer Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit
- einer Beschleunigung der Regeneration
Mit einem speziellen Training wird das Gitternetz der Faszien wieder in seine Struktur gebracht. Dazu eignet sich besonders der Einsatz von:
- fasziales Kinesiotapings (BioTechUSA)
- Hartschaumstoffrollen (Blackroll)
- Massagebällen (Rockballs)
- Triggerpunkt Massagestäben (TM)
- Massagetechniken (Rolfing, traditionelle Thai Massage)
- Instrument Assisted Soft Tissue Mobilization Tools – IASTM (RockBlade)
- Voodoo Flossing Bändern (SuprFit)
…sowie diverse Übungen, die du selbst mit deinem Körper ausführst.
Sofern kein Coach an deiner Seite steht und du selbst mit einer Hartschaumstoffrolle oder einem Trigger Ball arbeitest, beachte folgende grundlegende Regeln:
- Führe vor dem Training kontrollierte und schnellere Bewegungen durch
- Führe nach dem Training langsame und kontrollierte Bewegungen aus
- Arbeite in jeder Position mindestens zwei Minuten
- Wende keine zu hohe (zusätzliche) Kraft auf (indem jemandem mit seinem Körpergewicht den Druck verstärkt)
- Achte auf eine gleichmäßige Bauchatmung
- Nimm eine stabile Körperhaltung ein
- Behalte eine Regelmäßigkeit in der Anwendung bei
- Absolviere längere Einheiten erst am Ende des Trainings
- Trainiere bei Mobilitätsproblemen oder Schmerzen auch immer die darüber und darunter liegenden Strukturen.
Ein kontinuierliches Training der Faszien zahlt sich also in jedem Fall aus. Achte bei den Übungen auf bestimmte Regeln oder besser, hole dir Rat von erfahrenen Coaches.
Athletinnen und Athleten: bleibt geschmeidig und trainiert sauber.