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Lebensstil

Ein anaboles Fenster? Mythen im Fitnesssport

Wenn wir Mythen suchen, dann finden wir mehr als genug im Fitnesssport.
Tag ein und Tag aus werden sie verbreitet. Es geht auf den Steppern los und endet im Squatrack. Jeder hat eine ganz neue Theorie, wie der Körper behandelt werden sollte. Häufig werden Theorien aus diversen Zeitschriften weitergeleitet und voller Überzeugung übernommen. Keiner hat sich je mit warum oder wieso die Theorien in Frage gestellt. Es wird einfach angenommen und so kann eine neue Welle von Fehlinformationen ihren Lauf bekommen. Der Postworkoutshake gehört meines Erachtens zu einer dieser Theorien. Hitzig rennen die Bodybuilder zu ihrer Tasche, denn der Shake muss innerhalb von 30 Minuten eingenommen werden, sonst sind die Muskeln akut unterversorgt. Aber fragen wir uns mal: Warum sollte das so sein? Ist der Körper so schnell dem Muskelverlust ausgesetzt? Existiert ein anaboles Zeitfenster? Vielleicht ist das ganze auch ein weiterer Ansatz der Industrie, um den Umsatz zu steigern. Jede Falschinformation kommt bekanntlich von einem Stückchen Wahrheit. Irgendwas wird also auch hier zu finden sein. Was ist also Wahrheit und was ist nur ein Gerücht?

Wichtig bei solch einer Fragestellung ist Verständnis.
Nur wer den Körper versteht und dessen Vorgänge kennt, der kann schon im Vorfeld diverse Gerüchte aus der Bahn ziehen. Was passiert in unserem Körper, wenn wir trainieren und wie werden diese biochemischen Prozesse versorgt? Damit wir Leistung in Form von Kontraktion/Bewegung in der Muskulatur vollbringen können benötigen wir Energie. Im menschlichen Körper nennt sich diese Energieform auch ATP. Gerade im Hypertrophietraining, wo Wiederholungszahlen zwischen 8-12 den Schwerpunkt bilden, sind Kohlenhydrate für die Energiebereitstellung äußerst wichtig. Unserer Körper kann aus den Kohlenhydraten am einfachsten die benötigte ATP-Form herstellen. Nehmen wir Kohlenhydrate zu uns, dann werden diese verarbeitet und im körpereigenen Glykogenspeicher aufbewahrt. Wir haben Glykogenspeicher in der Muskulatur und in der Leber (sie fassen ca. 350-500 Gramm). Dort heraus werden die Speicher in die Mitochondrien (Kraftwerk der Zelle) gezogen, wenn Energie (ATP) erstellt werden soll. Abhängig von der Belastungsdauer gehen die Speicher schnell oder auch weniger schnell leer. Wir merken, wenn der Speicher verbraucht ist und wir im Hypertrophietraining zB. zur Genüge belastet sind -> Schlappheitsgefühl. Neben dem Entleeren der Energiespeicher führt das Muskeltraining zu einer Überlastung der Gewebsstruktur, was die Ausschüttung von Wachstumsreizen in die Gänge setzt. Die kleinen ‚Risse‘ der Muskeln müssen geflickt und möglichst noch stärker als zuvor werden. So denkt jedenfalls der menschliche Körper. Mit Proteinen kann dieser Schaden repariert werden und so der Muskel hypertrophieren. Durch das Verbrauchen der Energiespeicher schmeissen wir unseren Körper in eine katabole Phase. Das heißt für den Körper, dass dieser aus eigenen Reserven in Zukunft Energie gewinnen muss, denn die ATP ist aufgebraucht. Hier entstand der Mythos vom anabolen Zeitfenster.

Es heißt, wenn man schnellst möglich dem katabolen Prozess der leeren Energiespeicher entgegenwirkt, denn verliert man keine Wachstumspotentiale. Also soll schnellst möglich die anabole Phase eingeleitet werden. Anabol bedeutet bekanntlich so viel wie „aufbauend wirkend“. Gerade in dieser gefährlichen Phase soll es möglich sein dem Körper eine erheblich größere Menge an Proteinen und Kohlenhydraten zuzuführen, denn dieser ist ja leer gelaufen und ‚hungrig‘. Das stimmt allerdings nicht zu, wenn wir der Wissenschaft vertrauen schenken. Eine Studie der American Physiological Society aus dem Jahr 2001 konnte belegen, dass die Proteinsynthese nach dem Training sogar um 30% geringer ist als im Ruhezustand! Auch muss bedacht werden, dass aufgenommene Nahrung erstmal durch den Verdauungstrakt muss. Egal wie schnell man ein Whey Protein auch redet, es kann nicht innerhalb von 30 Minuten bereit vor der Muskelzelle stehen. Meistens hat der Verdauungstrakt auch noch Restbestände, welche den Weg quasi ‚behindern‘. Aus dieser Tatsache sollte schon klar werden, dass das anabole Zeitfenster im klassischen Mund nicht existieren kann.

Ein anaboles realistisches Zeitfenster …
wäre vom Ende des katabolen Stoffwechselprozesses bis zu der vollständigen Regeneration der Zellen zu rechnen. Wir reden von einem Zustand, welcher bis zu 72 Stunden anhalten kann, denn in dieser Zeit werden die Zellen immer wieder mit dem nötigen Rohstoffen beliefert – der Aufbau wird versorgt. Ergänzend kann man eine weitere Studie der Americcan Physiological Society aus dem Jahr 2003 erwähnen, welche die erhöhte Proteinsynthese gerade in den 24 Stunden nach der Belastung belegt.

Die folgend verlinkte Studie hat die Aussagen aus diesem Artikel untermauert und bringt darüber hinaus noch eine wichtige Info. Ist ein Sportler in einem gefasteten Zustand (zB. 12 Stunden ohne Nahrungsaufnahme), dann kann dieser tatsächlich viel Profit aus einem Postworkoutshake gewinnen. In diesem Fall ist es nämlich so, dass alle Reserven im Körper für den Start der Regeneration schon verbraucht sind. Kommen nach einer Belastungsphase keine neuen Versorgungen verbringt der Körper zwangsweise eine viel zu lange Zeit in einem katabolen Zustand. Ein Mangel an Nährstoffen würde in diesem Szenario dazu führen, dass auch Proteine aus dem Muskel für eine Energiegewinnung genutzt werden und nicht für den Wiederaufbau der Muskelzellen:
‚Thus, in the case of resistance training after an overnight fast, it would make sense to provide immediate nutritional intervention–ideally in the form of a combination of protein and carbohydrate–for the purposes of promoting muscle protein synthesis and reducing proteolysis, thereby switching a net catabolic state into an anabolic one. ‚ (Quelle: hier )

Ich hoffe mit diesem Artikel etwas Aufklärung betreiben zu können und dem nicht gefasteten Athleten den Stress nach dem Sport zu nehmen!